Mit dem imposanten Bau erschuf Verleger August Madsack 1928 ein Wahrzeichen für Hannover und für die MADSACK Mediengruppe. Das Gebäude entwickelte sich zu einem wichtigen Ort für die deutsche Mediengeschichte. Ein Rückblick auf 90 Jahre Anzeiger-Hochhaus.
Ein mächtiges, qualmendes schwarzes Ungetüm nimmt ratternd seine Arbeit auf. Der Baubeginn am Anzeiger-Hochhaus ist Mitte der 1920er Jahre eine Sensation für die Hannoveraner. Der Löffelbagger ist zu jener Zeit die modernste Maschine für den Tiefbau: In sechs Wochen hebt das Fahrzeug 12.000 Kubikmeter Boden aus.
Das erste Hochhaus Hannovers setzt Maßstäbe: Nach und nach entsteht ein 51 Meter hoher Stahlskelettbau. Dunkelrote und teilweise goldglasierte Klinker zieren die Fassade im Stil des Backsteinexpressionismus. Rund 740.000 hart gebrannte dunkle Ziegelsteine – der „Bockhorner Klinker“ – werden beim Bau verwendet. Eine Kuppel mit grünpatinierter Kupferverkleidung, die im deutschen Hochhausbau einzigartig ist, krönt das Gebäude.
Im Jahr 1928 eröffnet der erfolgreichste Verleger der Stadt sein Anzeiger-Hochhaus. Erstmals hatte August Madsack 1893 seinen Hannoverschen Anzeiger herausgegeben. 25 Jahre später ist das Blatt die meist gelesene Zeitung der Stadt und zählt zu den 15 auflagenstärksten Titeln im Deutschen Reich.
#throwbackthursday bei #Madsack 1893 erschien die erste Ausgabe vom „Hannoverschen Anzeiger“ – dem Vorläufer unserer @HAZ. Wir haben die Zeitung mal durchgeblättert. Hier gibt´s das GIF. 👇 pic.twitter.com/7tzzZlXet4
— MADSACK Mediengruppe (@madsack) March 1, 2018
Genialer Architekt: Fritz Höger
Aufgrund des Erfolgs wird der Platz im alten Verlagsgebäude in der Schillerstraße eng. Deshalb lässt der Verleger ein neues Gebäude errichten. Für den Bau des Anzeiger-Hochhauses findet August Madsack einen genialen Mitschöpfer, den Architekten Fritz Höger. Dieser zeigte sich bereits für das Chilehaus in Hamburg verantwortlich. Zusammen erschaffen sie das neue Wahrzeichen für Hannover. Im Anzeiger-Hochhaus und in den angrenzenden Gebäuden arbeiten von nun an Redaktion, Verlag und Druckerei des Hannoverschen Anzeigers.
„Wenn ich heute vom alten Haus in der Schillerstraße hinüberblicke zu dem ragenden Neubau an der Goseriede, so erfreut mich der Gedanke, dass hier für das Stadtbild ein neues Zentrum geschaffen ist, das dem kulturellen wie dem geschäftlichen Leben der Stadt neue Impulse zu geben bestimmt ist“, schreibt August Madsack zur Eröffnung des Anzeiger-Hochhauses im Jahr 1928.
Im Video: historische Aufnahmen vom Anzeiger-Hochhaus
Anzeiger-Hochhaus: Vielfältiges Treiben unterm Dach
Im Untergeschoss des Hochhauses entsteht die Schalterhalle im Art-déco-Stil. Über zwei Geschosse erstreckt sich der Bereich, Besuchern fällt sofort die sehenswerte Deckenkonstruktion mit Licht- und Dekorelementen ins Auge. Die prachtvolle Schalterhalle hat damals eine praktische Funktion: An den verschiedenen Schaltern schließen Kunden Abonnements ab oder geben Annoncen auf.
Mit zwei Express-Aufzügen geht es hinauf in die oberste Etage. In der grünen Kuppel zieht das Planetarium der Stadt ein. Allabendlich zeichnet ein riesiger Zeiss-Projektor das Sternenbild über Hannovers Nachthimmel im Zeitraffer in die zwölf Meter hohe Kuppel. Die Hannoveraner sind begeistert, das Planetarium wird zum Publikumsliebling. Kurzzeitig war unklar, ob ein Planetarium in Hannover entsteht, da die Stadt nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte. Doch August Madsack sprang ein.
Mehr Episoden aus 125 Jahren MADSACK gibt´s in der Historie auf dem Blog.
Neuanfang für den Journalismus in Deutschland
1933, fünf Jahre nach der feierlichen Eröffnung, stirbt August Madsack mit 76 Jahren. Sein Sohn Erich übernimmt die Geschäfte und muss das Lebenswerk seines Vaters gegen das nationalsozialistische Regime verteidigen. Die NSDAP verpasst der Redaktion eine Zwangsjacke. Erich Madsack muss an einen Parteiverlag die Mehrheit seines Unternehmens abtreten. Den bittersten Moment erlebt er am 1. März 1943: Das Regime stellt den Hannoverschen Anzeiger ein – 50 Jahre nach dem ersten Erscheinungstag.
Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt Hannovers Innenstadt in Schutt und Asche. Wohnhäuser, Geschäfte, Oper, Bahnhof und das Alte Rathaus sind 1945 ausgebrannt. Doch inmitten der Ruinen ragt das 51 Meter hohe Anzeiger-Hochhaus empor. Obwohl das Gebäude intakt geblieben ist, brannte die Kuppel aus. Unterm Dach finden die „Hochhaus-Lichtspiele“ später ihre neue Heimat – das bis heute höchstgelegene Kino in Deutschland.
Auch die Rotation auf dem Hof ist fast komplett zerstört. Viele Verlagsmitarbeiter und Hannoveraner helfen beim Wiederaufbau. Dank der Unterstützung kann nach kurzer Zeit im Anzeiger-Hochhaus ein neues Kapitel im deutschen Journalismus beginnen. Rudolf Augstein gründet hier 1947 das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Auch Journalist Henri Nannen hebt 1948 hier das Wochenmagazin Stern aus der Taufe.
Ab 1949 kann Erich Madsack das journalistische Erbe seines Vaters weiterführen. Er gründet die Hannoversche Allgemeine Zeitung, die sich rasch zur auflagenstärksten Tageszeitung Niedersachsens entwickelt. Nach 25 erfolgreichen Jahren ist es für Redaktion, Verlag und Druckerei jedoch auch im Anzeiger-Hochhaus zu eng.
Deshalb wachsen in den 1970er Jahren außerhalb der Innenstadt zwei Türme in die Höhe. In das heutige Pressehaus in der August-Madsack-Straße – dem Sitz der MADSACK Mediengruppe – zieht der Verlag 1974 ein.
Von der Party in der Rotation zum vielfältigem Medienzentrum
Trotz des Umzugs bleibt das Anzeiger-Hochhaus ein Wahrzeichen der Mediengruppe – im Herzen Hannovers. Ab Ende der 1970er Jahre tanzen in der ehemaligen Druckereihalle Clubbesucher in der „Rotation“. Diese entwickelt sich zu einer der beliebtesten Diskos der Stadt. Nach knapp zehn Jahren wird die letzte Schallplatte gespielt. Die „Rotation“ schließt Ende der 1980er Jahre.
Das Anzeiger-Hochhaus ist heute das Tor zum Medienzentrum der Stadt. Dazu gehört das Mendini-Haus, das unter anderem die Redaktion der Neuen Presse sowie den Film- und Fernsehproduzenten TVN Group beheimatet.
Mitte der 1920er Jahre bestaunten die Bürger den Bau des Anzeiger-Hochhauses. 90 Jahre später wird an dem Wahrzeichen wieder geschweißt, gehämmert und gewerkelt. Die Kuppel des Anzeiger-Hochhauses wird über mehrere Jahre umfassend saniert. Bei der Erneuerung wurden in der Nachkriegszeit provisorisch geflickte Einschlaglöcher von Granatsplittern freigelegt – Zeugnisse der bewegten Geschichte des Hauses.
Im Video: Die Arbeiten am Anzeiger-Hochhaus aus der Drohnen-Perspektive.
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