Beim Lübecker Opferschutzverein Weißer Ring sollen Frauen bedrängt worden sein. Für die Lübecker Nachrichten deckten Wolfram Hammer und Curd Tönnemann den Skandal auf. Sie wurden dafür für den Nannen- und den August-Madsack-Preis nominiert.
Der ehemalige Lübecker Chef des Opferschutzvereins Weißer Ring soll mehrere Frauen sexuell genötigt haben. Zuerst berichteten Wolfram Hammer und Curd Tönnemann für die Lübecker Nachrichten (LN) und ein Team vom Magazin Der Spiegel über die Vorwürfe. Nach den Veröffentlichungen der gemeinsamen Recherchen im Frühjahr 2018 meldeten sich immer mehr Frauen und schilderten, dass Detlef H. sie bedrängt habe, als sie beim Weißen Ring Schutz suchten.
Gegen den Ex-Polizist und Opferberater wurde in mehreren Fällen ermittelt. Vier Fälle wollte die Staatsanwaltschaft Lübeck vor Gericht bringen, das Landgericht Lübeck ließ indes nur einen Fall zur Anklage zu. Der Prozess soll im Juni 2019 beginnen.
Im Interview erzählt Redakteur Wolfram Hammer aus seiner journalistischen Perspektive von den Recherchen und Auswirkungen des Skandals.
Die Artikelübersicht finden Sie auf LN-Online.de.
Übergriffe beim Weißen Ring in Lübeck: Redakteur Wolfram Hammer im Interview
Wie begann die Geschichte um die möglichen sexuellen Übergriffe beim Weißer Ring für Sie?
Wolfram Hammer: Die Gerüchte über Verfehlungen von Detlef H. waberten Ende 2017 schon seit einigen Monaten durch Lübeck. Sie waren für die Kollegen in der Lokalredaktion aber nicht so greifbar, dass eine Geschichte daraus werden konnte. Anlässlich der Einführung der neuen Außenstellenleiterin des Weißen Rings hat Curd Tönnemann dann aber Anfang 2018 – auf den ersten Meldungen der Kollegen aufbauend – intensiver recherchiert und einen Text veröffentlicht, der erstmals klar von Vorwürfen gegen H. wegen „unangemessenen Verhaltens“ sprach.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Magazin Der Spiegel?
Zwei Frauen fassten sich in dieser Zeit ein Herz und bereiteten Anzeigen gegen H. vor. Davon berichteten sie dem Magazin Der Spiegel. Die Spiegel-Kollegen nahmen Kontakt zu mir auf, setzten auf unsere genaueren Kenntnisse der Gegebenheiten und Verbindungen vor Ort. Wir werteten die Dokumente von da an gemeinsam aus und stimmten unsere Recherchen aufeinander ab, veröffentlichten die Ergebnisse dann in zwei getrennten, jeweils von den eigenen Teams verfassten Berichten. Die Artikel erschienen am selben Tag und haben darin auf die Berichte des jeweils anderen verwiesen.
Was hat Ihnen bei der Recherche geholfen?
Solche Berichte bringen es eigentlich immer mit sich, dass Menschen einem weitere Informationen zukommen lassen. Das ist oft wie ein Dammbruch. Wir sind dann neben unserer sonstigen Arbeit immer weiteren Details nachgegangen, haben etwa nachgebohrt, wieso H. im Ruhestand noch einen Dienstwagen der Polizei nutzen konnte und welche Versäumnisse es generell bei den Beratungen des Weißen Rings hinsichtlich eines möglichen Opferschutzes gegeben hat.
Wie haben Sie sich mit Ihrem Kollegen Curd Tönnemann als Team ergänzt?
Wie immer. Curd Tönnemann und ich waren schon vorher in Sachen Landespolitik ein eingespieltes Team. Das hat es leicht gemacht.
Seit dem Frühjahr 2018 begleiten Sie das Thema. Hat das Spuren bei Ihnen hinterlassen?
Gar nicht. Das ist mein Job. Meiner zwölfjährigen Tochter habe ich aber irgendwann geraten, dass sie, wenn sie, wo auch immer, von irgendeinem Mann auch nur ansatzweise belästigend berührt wird, sofort losschreien, toben, notfalls losschlagen soll. Alle Umstehenden müssen mitbekommen, dass da gerade etwas vorgefallen ist, was nicht richtig war. Das Schweigen über solche Vorfälle muss endlich aufhören.
Inwiefern bestätigen Ihre Recherchen, dass Lokaljournalismus Wirkung hat?
Genau so: Dass weniger geschwiegen wird. Institutionen wie der Weiße Ring etwa oder die Polizei Lübeck mussten sich mit dem Thema auseinandersetzen. Das macht Betroffenen oder Zeugen solcher Vorfälle hoffentlich Mut, sich künftig schneller zu wehren beziehungsweise einzugreifen und die Vorfälle öffentlich zu machen.
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