Kleine Redaktion, ländlich geprägte Region, hoch im Norden – Gunnar Müller startete 2017 seine journalistische Ausbildung bei der Segeberger Zeitung. Nach dem ersten Jahr hat er sechs Erkenntnisse aus dem Volontariat zusammengefasst und schildert, warum Lokaljournalismus eine sehr gute Schule für ihn ist.
Gunnar Müller: Mein erstes Jahr als Volontär
Etliche leere Kugelschreiberminen, stapelweise Schreibblocks und hunderte Fahrkilometer später: Mein erstes Jahr als Volontär bei der Segeberger Zeitung (SZ) – genau da, wo sich bei den Karl-May-Spielen Cowboys und Indianer bekriegen – ist um.
Das Verbreitungsgebiet der SZ mit ihren 11.000 Abonnenten liegt zwischen Kiel im Norden, Lübeck im Osten, Hamburg im Süden und Neumünster im Westen. Der hohe Norden hat einen großen Vorteil für einen Gunnar Müller wie mich. Meinen Vornamen muss ich nicht buchstabieren – nur das „Müller“ wird zumeist als Möller missverstanden.
Mein Volontariat findet an der Journalistenschule MADSACK Medien Campus statt. Die Segeberger Zeitung ist meine Stammredaktion. Meine Erkenntnisse aus dem ersten Jahr als Volontär habe ich niedergeschrieben. Keine Bilanz, aber ein erkenntnisreicher Rückblick.
Erkenntnisse aus dem Volontariat: Sechs Erfahrungen meines ersten Jahres
1. Manchmal schreibt das Leben auf krummen Wegen gerade
Bewerbungsvideo für das Volontariat am MADSACK Medien Campus.
Alles begann Mitte 2017 mit den Auswahltagen am MADSACK Medien Campus in Hannover. Im Einzelgespräch fragte mich einer der Chefredakteure: „Warum bewerben Sie sich noch auf ein Volontariat?“
Dass die Frage kommen musste, war mir im Vorhinein bereits klar. Mit 38 Jahren eine redaktionelle Ausbildung zu beginnen, ist wohl eher unüblich. „Journalismus ist ein Handwerk“, antwortete ich. Und das wollte ich nicht nur autodidaktisch lernen, sondern nun mit einem strukturierten Lehrplan.
Zuvor schrieb ich fast zehn Jahre als freier Journalist, etwa für das Göttinger Tageblatt und das Eichsfelder Tageblatt in Niedersachsen. Und davor machte ich etwas ganz anderes: Ich war in einer Sparkasse angestellt.
Nach dem Gespräch sollten wir bei den Auswahltagen uns und unsere Leidenschaft für Journalismus in 30 Sekunden mit einem Gegenstand beschreiben. Einige meiner Mitbewerber hielten eine Tastatur, Stifte oder das Grundgesetz in die Höhe – ich zeigte Kurth, meine Eule, meinen Talisman. Das sorgte sichtbar für Erstaunen, denn dieser Talisman war anscheinend ein eher ungewöhnlicher Gegenstand für solch ein Jobinterview.
Aber Kurth steht für meine journalistische Leidenschaft: Er hat Augen, die mehr sehen, und Ohren, die mehr hören, als sie sollten. Und ohne Kurth wäre ich vielleicht nicht in diesem Volontariat gelandet.
Meine Erkenntnis: Viele Wege führen zum Journalismus, keiner ist richtiger als der andere – und: Manchmal sollte man auch etwas Gewagtes probieren.
2. Ankommen im Job
Mein Volontariat am MADSACK Medien Campus begann im September 2017 mit einer vierwöchigen Theoriephase. Ob Reportagen schreiben, Interviews führen, Social Media oder Medienrecht – Dozenten und Redakteure teilten ihr Wissen mit uns.
Zwischendurch besuchte ich die Redaktion der Segeberger Zeitung. Den Redaktionsleiter kannte ich bereits vom Auswahlverfahren. In unserem Gespräch drehte ich eine Frage aus dem Bewerbungsprozess um: Aus „Warum wollen Sie nach Bad Segeberg?“ wurde „Warum habt Ihr Euch für mich entschieden?“. Die Antwort darauf verblüffte mich zunächst: Eben weil ich älter sei und bereits Erfahrungen im Lokaljournalismus gesammelt habe.
Der Redaktionsleiter nahm sich einen halben Tag Zeit, fuhr mit mir durch die Außenredaktionen, stellte mich den neuen Kollegen vor. So habe ich mir einerseits schnell einen Überblick über die Region und die Redaktionen verschafft, andererseits viele Kollegen kennengelernt.
Meine Erkenntnis: Die journalistischen „Basics“ wurden uns Volontären in den ersten vier Wochen am MADSACK Medien Campus nahegebracht, aber erst im Alltag müssen sie dem Praxistest standhalten – und da kommt es auch auf Erfahrung an.
3. Themen lassen sich manchmal beiläufig finden
Erkenntnisse aus dem Volontariat: Mein erster Tag in der Redaktion im September 2017 fing nicht so gut an. Ich kurvte mit meinem Auto durch Bad Segeberg. Kein Parkplatz, nirgends. Ich entdeckte aber Polizisten im Gänsemarsch, vorneweg eine Frau mit grellgelber Warnweste und einem Spürhund.
Das wollte ich genauer wissen. Mein erster „Fall“ bereits bevor ich in der Redaktion überhaupt „Moin“ gesagt hatte: Hakenkreuz-Schmierereien und ein Einbruch bei einer syrischen Familie sorgten für die Unruhe. Das Geschehen führte zu meinem ersten Artikel in der Segeberger Zeitung.
Und kurz nach dem Erscheinen gab es bereits Reaktionen – ein Start mit dem ich so nicht gerechnet hätte. Manchmal ergeben sich Geschichten nebenbei, zum Beispiel beim Pendeln zwischen Wohnung und Job.
Meine Erkenntnis: Auch mal wie ein Spürhund sein – Augen im Alltag offen halten und einer möglichen Geschichte auf Verdacht hinterher gehen.
4. Wie kommt (m)ein Thema in die Zeitung?
Als Volontär kommt man in einer Redaktion auf zwei Weisen an Themen: Einerseits geben Redakteure den einen oder anderen Termin ab. Andererseits schlägt man aktiv Themen vor, auch wenn dann nicht alle davon den Weg in die Zeitung schaffen werden.
Denn zu Beginn der journalistischen Ausbildung hört man des Öfteren: „Hatten wir letztes Jahr“, „Nein, da fehlt mir der lokale Bezug“, „Mach erst einmal das hier, dann sehen wir mal“. Aber davon sollte man sich nicht entmutigen lassen, sondern daraus lernen. Denn die Kollegen haben mehr journalistische Erfahrung und Routine. Außerdem kennen sie die Themen und Akteure der Region.
Bevor ein Volontär jedoch mit einem Thema loslegt, muss er erst einmal die Redaktion dafür interessieren. Und bevor man eine Geschichte vorschlägt, sollte man sie zumindest anrecherchieren. Manchmal hilft es schon, eine Geschichte aus einer völlig anderen Perspektive anzugehen – ihr einen neuen Dreh zu geben.
Im Zentrum sollte die Frage stehen: Was hat der Leser davon? Je nach Thema reichen Schlagworte bis hin zu Mini-Essays, um es vorzustellen. Hilfreich ist es auf jeden Fall, mit einem Redakteur die Idee zu besprechen – denn durch direktes und konstruktives Feedback lernt man am meisten.
Meine Erkenntnis: Nie unvorbereitet Themenvorschläge abliefern, sondern sich mindestens die Grundfragen stellen und vorab recherchieren.
Erkenntnisse aus dem Volontariat: 5. Suche dir eine Nische!
Innerhalb von Zeitungsredaktionen gibt es häufig Spezialisten. Der eine berichtet als Polizeireporter, der andere kennt die kommunale Verwaltung gut. Vor dem Volontariat schrieb ich etwa einige Jahre für die Evangelische Zeitung in Niedersachsen über kirchen- und diakoniebezogene Themen. Deshalb fiel es mir auch in Schleswig-Holstein leicht, mich schnell in dem Bereich zurechtzufinden.
Volontäre und junge Reporter bringen oft einen anderen, frischen Blick mit. Ihnen fällt es manchmal leichter, Geschichten anders aufziehen. Und in vielen Redaktionen findet man als Volontär sicherlich ebenfalls eine Nische, die man besetzen kann.
Meine Erkenntnis: Werde Spezialist in einer Nische. Bleib neugierig! Auch, wenn über ein Thema zum x-ten Mal berichtet wird, können links und rechts weitere interessante Geschichten oder Anekdoten anfallen.
6. Erfahrungen sammeln, Bereiche austesten
An meiner redaktionellen Ausbildung bei der Segeberger Zeitung schätze ich die kollegiale Atmosphäre, die kurzen Dienst- und Recherche-Wege sowie das konstruktive Feedback der Kollegen. Spannend ist auch der Ansatz der Berichterstattung: Statt auf einen strikt nachrichtlichen Aufbau, setzt die Redaktion der Segeberger Zeitung auf einen eher erzählenden Stil.
Das ist sehr bereichernd für mich. Darüber hinaus ermöglicht mir mein Volontariat auch einen Blick über den Tellerrand hinaus. In meinem ersten Jahr habe ich auch andere Ressorts und Redaktionen kennengelernt. Einige Monate war ich beispielsweise im Online-Ressort bei den Kieler Nachrichten. Hier lernte ich, wie ich Artikel mit selbstaufbereiteten Karten, Bildergalerien, Umfragen, Quizzen, Grafiken oder kleinen Mini-Videos attraktiver gestalten kann.
Für die Kieler Nachrichten war ich in den sozialen Medien aktiv, habe Beiträge gepostet und auf Kommentare geantwortet. Ein spannender Einblick, da er wenig vergleichbar ist mit der Arbeit in meiner Heimat-Lokalredaktion.
Meine Erkenntnisse aus dem Volontariat: Ein umfassendes Volontariat bietet die Chance, verschiedene Stationen und Ressorts kennenzulernen.
Epilog – Erfahrungen im Volontariat
Bergfest: Ein Jahr Volontariat bei der Segeberger Zeitung ist um. Hinter mir liegen Stationen im Lokalen, im Online-Bereich und in der Unternehmenskommunikation der MADSACK Mediengruppe.
Vor mir liegen die Produktion, die Stationen beim RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und ein Projekt mit den 23 Mit-Volontären meines Jahrgangs. Eine toll strukturierte journalistische Ausbildung, die sich aus vielen Teilen zusammensetzt und mir Einblicke in viele Bereiche ermöglicht (hat).
Volontäre antworten: Warum ist Lokaljournalismus spannend?
Neben den Erkenntnisse aus dem Volontariat von Gunnar Müller gibt es auf unserem Blog noch weitere Einblicke in die journalistische Ausbildung bei der MADSACK Mediengruppe. Entweder auf der Themenseite Volontariat oder beim MADSACK Medien Campus.