Der Sportteil gehört heutzutage zu den beliebtesten Seiten einer Zeitung. Ob Fußball oder Olympische Spiele – zur Jahrhundertwende berichteten Zeitungen über Sportereignisse allerdings eher beiläufig in wenigen Zeilen. Dies änderte sich 1920. Da erschien die Wochenzeitung Hannoverscher Anzeiger Sport. Der Titel war ein Vorläufer für moderne Sportmagazine.
Zu Beginn des Hannoverschen Anzeigers, der 1893 erstmals erschien, waren Sportereignisse lediglich eine Randnotiz. Über die Jahrzehnte wuchs jedoch das Interesse der Leser an diesen Themen. Wir blicken ins Archiv und zeigen, wie sich die Sportberichterstattung verändert hat.
Hannoverscher Anzeiger Sport vermeldet die Gründung von Hannover 96 – mit Verspätung
Der Hannoversche Anzeiger notierte am 18. April 1896 die Gründung des „Hannoverschen Fußball-Verein von 1896“. Die Leser mussten schon genau hinschauen, um die Meldung zu finden. Zudem erschien der Hinweis mit sechs Tagen Verspätung. Mehr als 100 Jahre später ist Hannover 96 der bekannteste Verein der Stadt und die Berichte über den Klub füllen ganze Seiten.
Damals hieß es: „Die Spielkleidung soll aus weißem Trikot, gleichfarbiger Kniehose und schwarzen Strümpfen bestehen.“ Zunächst spielte der Hannover 96 – anders als der Vereinsname aussagte – übrigens nicht Fußball, sondern Rugby.
Sport wird erst nach dem Krieg populär
Dem Fußballsport von der britischen Insel begegnete man damals noch mit einer gewissen Skepsis, wie ein Text zeigt, der ebenfalls im April 1896 im Hannoverschen Anzeiger erschien.
„Der Leser erfährt da (Anmerkung: in der deutschen Tagespresse) mit Staunen, dass das Fußballspiel erbarmungslos seine Opfer an Toten und auf Lebenszeit zu Krüppeln geschlagenen und gestoßenen fordere und es darf nicht Wunder nehmen, dass solche Zusammenstellungen in weitesten Kreisen unbegründete Vorurteile gegen das Fußballspiel hervorrufen.“
Besonders populär war der Sport in dieser Zeit nicht. Der Erste Weltkrieg und die Revolutionswirren nach dem Ende der Kaiserzeit verschoben bald darauf die Prioritäten. Erst in der Weimarer Republik feierte der Sport seine Rückkehr. Viele Menschen interessierten sich fortan für Sportveranstaltungen. Die Zuschauerzahlen stiegen, Sport wurde zum Publikumsmagneten.
Der „H. A. Sport“ erscheint ab 1920
Die neue Bedeutung des Sports erkannte bald auch der Hannoversche Anzeiger, der zum ersten Mal am 10. April 1920 eine zunächst immer am Montag erscheinende Sportzeitung herausgab. Für 50 Pfennige bekamen die Hannoveraner vier Seiten voller Neuigkeiten.
Titelthema der ersten Ausgabe: Das Eröffnungsrennen auf der Großen Bult. Wegen der Ankündigung des Pferderennens, das in Hannover noch immer eine große Tradition besitzt, erschien das Premierenblatt ausnahmsweise an einem Samstag.
Dort begründete die Redaktion auch die neue thematische Gewichtung des Sports. Weil mit dem Versailler Friedensvertrag die Wehrpflicht in Deutschland abgeschafft worden war, sei die Bedeutung des „Sports und der Leibesübungen“ auch jenen klar geworden, die diesen zuvor ablehnend gegenüber standen.
„Die Leibesübungen tragen dazu bei, den Körper auszubilden und stählen.“ Der Sport sei „allein imstande die Wunden, die durch den Krieg (…) uns geschlagen sind, zu heilen und uns aus der Not wieder zum Aufstieg zu verhelfen.“
Besonders beliebte Themen der ersten Ausgaben: Fußball, Rugby, Pferdesport oder Radrennen. Letztere waren 1920 was die Strecke anbelangt sogar noch ein wenig ausgedehnter als die heutigen.
Mehr als 314 Kilometer radelten die Rennfahrer beim Straßenpreis von Hannover bis in den Harz und wieder zurück. Der Hannoversche Anzeiger Sport dokumentierte das Renngeschehen fast minutiös. Sieger Adolf Huschte brauchte 12 Stunden und drei Minuten für die Strecke.
Hannoverscher Anzeiger Sport: Kuriose Debatten
Auch aus heutiger Sicht irrwitzige Debatten wurden geführt. So wurde noch im ersten Jahrgang etwa der Frage nachgegangen, ob Frauen Sport treiben sollten.
Das eindeutige Plädoyer der Autorin Elisabeth Möller lautete: „Jawohl, jede Frau soll Sport treiben! Die Frau ist ihrem Körperbau und ihrer ganzen Veranlagung nach durchaus befähigt, sportliche Übungen zu pflegen.“
Fotos gibt es erst ab 1925
Abgesehen von einigen Anzeigen war die Wochenzeitung, die ab 1925 montags und freitags erschien, noch eine regelrechte Textwüste. Das nachrichtliche Aussehen lockerte zunächst nur die tägliche Folge eines Sport-Romans auf.
Erst langsam kamen vereinzelt Illustrationen hinzu. So wurden zum Beispiel die Köpfe von Fußball-Torschützen gezeichnet. Zum Ende des Jahres baute die Redaktion schließlich sogar Fotos ein – etwa eine verschwommene Aufnahme von Zieleinlauf beim Sprint im Städtekampf Hannover gegen Hamburg.
Fußball-Länderspiel als Höhepunkt
Sechs Jahre später – also 1931 – war Hannovers Sportblatt schon voller Fotos. Zu größeren Sportveranstaltungen wurden ganze Bilderseiten gestaltet. Etwa zum Motorradrennen in der Eilenriede oder zum „Fußball-Länderkampf“ zwischen Deutschland und Dänemark im Hindenburg-Stadion (später Eilenriedestadion) in Hannover.
Zum Länderspiel gab der Hannoversche Anzeiger Sport sogar eine Sonderausgabe heraus. Die deutschen Fußballer beendeten beim 4:2-Sieg eine lange Pleitenserie – ausgerechnet in Hannover. Das wurde lokalpatriotisch gefeiert.
„So etwas hat Hannover noch nicht gesehen und noch lange wird man davon reden, von diesem Fußball-Länderkampf, der einer Halbmillionen-Stadt wie Hannover den Stempel aufdrückte.“
Hannover 96 wird Deutscher Meister
Als 1933 die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernahmen, war es vorbei mit der freien Presse. Das sah man auch im Hannoverschen Anzeiger Sport, dessen Berichterstattung in den kommenden Jahren immer mehr Propaganda weichen musste.
Hannover 96 aber feierte 1938 seinen ersten großen Erfolg. In Berlin sicherten sich die „Roten“ im Wiederholungsspiel gegen den FC Schalke 04 die Deutsche Meisterschaft. Der Hannoversche Anzeiger Sport feierte die „siegreichen 96er“ mit einem Extrablatt.
Krieg bringt das Ende des H. A. Sport
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verlor der Sport zunehmend an Bedeutung. Viele Turner, Fußballer oder Leichtathleten kämpften an der Front und ließen dort ihr Leben. Der H. A. Sport erschien wieder nur einmal in der Woche.
Am Montag, 1. März 1943, gab es die letzte Ausgabe des Hannoverscher Anzeiger Sport. Mit einer kurzen Notiz verabschiedete sich die Redaktion von ihren Lesern.
„Mit der heutigen Ausgabe stellt der H. A. Sport im Zuge der Maßnahmen zur totalen Kriegsführung sein weiteres Erscheinen ein. Wir danken unseren Lesern für das Vertrauen, das sie uns in den mehr als 23 Jahren entgegengebracht haben.“
Das war ein Blick ins Archiv von MADSACK und in die historische Sportberichterstattung. Falls wir Ihr Interesse an historischen Ausgaben geweckt haben, finden Sie auf unserem Blog auch historische Erstausgaben: die Cover unserer Tageszeitungen seit 1821.
Mehr über MADSACK erfahren Sie auf unserer Geschichtsseite. Der Text stammt von Sascha Priesemann, Volontär bei der MADSACK Mediengruppe.