Wie die Lübecker Nachrichten mit Trollen umgehen

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Die Lübecker Nachrichten (LN) kommunizieren mit ihren Lesern vor allem in sozialen Medien. Wie der Leserdialog gelingt, erklärt Online-Chef vom Dienst Timon Ruge.

Der Leserbrief 2.0 kommt per Mail oder auf Facebook

Mehre zehntausend Interaktionen pro Woche behalten die Redakteure der Lübecker Nachrichten im Blick. Auf Facebook posten, schreiben und liken Leser – einen klassischen Brief auf Papier schreiben die wenigsten von ihnen. Allerdings lässt das Internet auch Hemmschwellen schwinden und bietet Trollen ein Spielfeld. Warum Timon Ruge dann auch mal zum Telefon greift, erklärt er im Interview.

Timon Ruge ist Online-Chef vom Dienst der Lübecker Nachrichten (LN).

Timon Ruge, Online-Chef vom Dienst der Lübecker Nachrichten.

Warum sollen Leser oder Nutzer sich innerhalb eines Forums miteinander austauschen?

Timon Ruge: Noch bis vor einigen Jahren war Medienkonsum ein bisschen wie Frontalunterricht: Der Journalist erzählt, der Leser hört zu. Das hat sich grundlegend geändert. Mittlerweile „publiziert“ fast jeder, soziale Medien verändern alte Strukturen. Viele Menschen nehmen Nachrichten nur über Facebook wahr.

Wenn sich die klassischen Medien da heraushalten, werden sie dramatisch an Relevanz verlieren. Deshalb sollten Zeitungen zunächst die dominierende Plattform für den Austausch von Informationen bieten. Das heißt: Bei uns finden Nutzer die spannendsten regionalen Nachrichten und dazu die unterhaltsamsten sowie am besten moderierten Debatten.

Unsere Community baut sich um die Nachrichten herum auf und diskutiert emotional. Das dürfte die derzeit beste Möglichkeit sein, neue Zielgruppen zu erschließen, und verhindert, dass wir zum „unsichtbaren Contentlieferanten“ werden.

Wie bearbeiten Sie und Ihre Kollegen von den Lübecker Nachrichten die Interaktionen auf der Website und auf Facebook?

Auf Facebook haben wir etwa 50.000 Interaktionen und 5.000 Kommentare pro Woche. Auf der Website ist es eine stark schwankende dreistellige Zahl. Hinzu kommt die Facebook-Direktnachricht, die inzwischen die klassische E-Mail an die Redaktion ablöst. Jede direkte Nachricht beantworten wir innerhalb von maximal einer Stunde.

Auf Nutzerkommentare reagieren wir, wenn es der Debatte nützt oder juristisch notwendig ist. Wir sind in möglichst vielen Posts tätig, um die Community zu pflegen oder Missverständnisse auszuräumen. In unserem Webseiten-Forum sind dagegen nur Beiträge zu lesen, die wir vorher freigeschaltet haben.

Welchen Mehrwert haben die Lübecker Nachrichten von diesem Nutzer-Dialog im Netz?

Wir geben täglich Themen oder Recherche-Ansätze, die Nutzer online eingebracht haben, an die Kollegen weiter. Autoren erhalten von dem mitunter durchaus fachkundigen Publikum wertvolles Feedback. Und für die meisten Journalisten ist es motivierend, wenn ihre Geschichte in sozialen Medien erfolgreich ist und Leser ihren Artikel liken, teilen oder kommentieren. Gleichzeitig machen uns Nutzer auf Fehler aufmerksam, was unangenehm sein mag, aber nützlich ist.

Wie gehen die LN mit Trollen um?

Mit Trollen hat jeder erfolgreiche Facebook-Account zu tun – gerade, wenn er relevante Nachrichten postet und lebhafte Diskussionen bietet. Die vermeintliche Anonymität im Internet lässt Hemmschwellen schwinden. Da trauen sich einige Nutzer Unverschämtheiten, die sie im echten Leben niemals äußern würden. Für diese Leute ist der Facebook-Auftritt einer Zeitung ein Ventil, Frust abzulassen.

Zu welchen Mitteln greifen Sie, damit die Debatte konstruktiv bleibt?

Wer Facebook journalistisch betreibt, muss mit Trollen leben – und dafür sorgen, dass sie nicht Oberwasser bekommen. Eine Netiquette setzt schon mal einen Standard, auf den man hinweisen kann, und sie legitimiert nachvollziehbar „Strafmaßnahmen“. Durch die Netiquette allein ist noch kein Troll umgestimmt worden.

Hilfreich ist oft der Hinweis auf konkrete Fakten. Wenn Argumente nicht helfen, sprechen wir Nutzer direkt an, verwarnen sie oder schalten Kommentare unsichtbar. Auch Humor hilft gelegentlich. In letzter Konsequenz sperren wir Nutzer. Ich habe mich mit Trollen schon am Telefon verabredet.

Das sind oft schüchterne Leute, die erschrocken sind, dass auf der anderen Seite echte Menschen arbeiten. In der Regel hat sich nach dem Gespräch dieser Troll erledigt – aber dafür warten draußen schon wieder zwei neue.

Weitere Einblicke in die Medienwelt gibt es auf dem Blog der MADSACK Mediengruppe.